Zu dick. Zu hässlich. Zu klein.

Vor mir sitzt eine junge Frau. Sie ist ausgesprochen hübsch. Der Marylin Monroe-Typ der Neuzeit: lange blonde Haare, große warme Augen, gute Figur. Nettes Lächeln. Das Problem: Die junge Dame mag ihren Körper nicht. Wenn sie könnte, würde sie ihn ändern. Als ich frage, was genau stört, antwortet sie: Zu dick. Zu hässlich. Zu klein.

Könnte ich ein Bild von ihr zeigen, würde unter 1.000 Menschen kein einziger sagen, dass sie hässlich ist. Aber das ändert die Situation nicht. Sie glaubt, was sie glaubt. Und Glaubensätze sind zäh wie Kaugummi. Da hilft kein Zureden.

Das Schlimme daran: Mit jedem Gedanken, der sich nur oft genug über lange Zeit wiederholt, entstehen Gefühle in unserem Inneren. Jedes Gefühl löst in uns einen chemischen Cocktail aus Hormonen, Botenstoffen und Signalen aus. Gute Gefühle erzeugen positive Botenstoffe; schlechte Gefühle beeinflussen unseren Körper negativ.

Ich bin angesichts der Szene betroffen, wundere mich aber nicht. Gerade habe ich den Film „Embrace“ gesehen, der leider nur einen Abend im Kino lief. Die Gesellschaft hat es offensichtlich geschafft, über Jahrzehente  ein Barbie-Frauenbild aufzubauen, das sich hartnäckig hält und vielen Frauen Leid zufügt.

Aber die Gesellschaft allein ist es nicht. Es ist die Gesamtheit unserer in der Kindheit erworbenen Glaubenssätze, die in einer Endlosschleife in unserem Unterbewusstsein orchestrieren.

Nicht gut genug zu sein, ist ein richtig hartnäckiger, gemeiner und festzementierter Glaubenssatz. Er zeigt sich im Laufe des Lebens in vielen schillernden Nuancen. Er klopft mal leise, mal lauter an, dafür aber permanent.

Wer hatte als Kind schon das Glück, immer wieder zu hören, dass er ein hübsches Gesicht hat oder ganz besonders gut Klavier spielt? Wem wurde als Kind unmissverständlich vermittelt, dass es nicht darauf ankommt, wie gut man in der Schule ist oder welche Klamotten man trägt.  Sondern, dass der Mensch zählt. Dieses zarte, vielschichtige  Wesen, das sich so leicht aus seiner Mitte bringen lässt. Für wen und warum?

Hinter jedem Glaubenssatz, der in voller Erkenntnis und in Liebe gehen darf, steckt die Freiheit. Die Freiheit, sich  wahrzunehmen, zu erkennen und zu lieben.

Glaubensätze zu lösen, ist harte Arbeit. Der Blick in den Spiegel tut weh.

Aber es lohnt sich!